The Wedding Singer's Daughter
Regie: Haifaa Al-Mansour
Es ist Nacht im saudi-arabischen Riad der 1980er-Jahre. Glamouröse Glitzerabsätze steigen aus Autos. In traditionelle schwarze Abayas gehüllte Frauen begeben sich in einen Hochzeitssaal. Dort enthüllen sie, was sie darunter tragen: schillernde Kleider und wilde Haarstylings. Hier kommt ihr wahres Selbst zum Vorschein, unbehelligt von männlichen Blicken. Bei saudischen Hochzeiten gibt es strenge Trennungsregeln. Alle Augen und Ohren sind auf die Hochzeitssängerin gerichtet, bis plötzlich der Strom ausfällt. „Das ist die schlechteste Hochzeitssängerin aller Zeiten“, flüstern die Gäste herablassend. Wird es der kleinen Tochter gelingen, die Ehre ihrer Mutter zu retten?
The Wedding Singer’s Daughter, unter der Regie von Haifaa Al-Mansour, ist der 16. Beitrag der Miu Miu Women's Tales. Die hochgelobte Kurzfilmreihe lädt die tiefgründigsten und originellsten Regisseurinnen der Gegenwart ein, sich mit Eitelkeit und Weiblichkeit im 21. Jahrhundert auseinanderzusetzen.
Haifaa Al-Mansour, die in Los Angeles lebt, gilt als erste saudi-arabische Filmemacherin. Ihr Debütfilm „Das Mädchen Wadjda“ (2013) über ein rebellisches Mädchen, das gesellschaftliche Regeln brechen und ein eigenes Fahrrad haben will, war als erste fremdsprachige Oscar-Nominierung aus Saudi-Arabien ein voller Erfolg. Da das Land derzeit eine beispiellose Kulturreform durchläuft, bei der Frauen seit Kurzem Autofahren dürfen und die ersten Kinos eröffnet werden, wird der nächste Film von Al-Mansour, „The Perfect Candidate“, als erster Film vom neuen saudi-arabischen Filmrat unterstützt werden. Die dramatische Komödie handelt von einer jungen Ärztin, die davon träumt, an den von Männern dominierten Kommunalwahlen teilzunehmen.
„Es ist sehr wichtig zu versuchen, Dinge Schritt für Schritt aufzubauen“, so Al-Mansour. „Geduld zahlt sich aus.“ Tatsächlich beschreibt die saudische Popsängerin Rotana Tarabzouni - die die Hauptrolle in „The Wedding Singer's Daughter“ spielt und zusammen mit The Real Satta die Musik komponierte - sich selbst und die Frauen ihrer Generation als „die notwendigen und aufregenden Wachstumsschmerzen jeder Gesellschaft, die eine Reform und künstlerische Renaissance erlebt“. Zum Setting ihres neuen Miu-Miu-Films befragt, meint Al-Mansour: „Hochzeiten sind der wahre Spiegel der Gesellschaft in Saudi-Arabien: gespalten und nach Geschlecht und Klasse getrennt. Ich wollte die Geschichte dieser Menschen erzählen und diese Zartheit einfangen.“
Laut Al-Mansour waren die Women's Tales ein inspirierendes Projekt, denn: „Es ist sehr wichtig für Frauen, ihre Geschichten zu erzählen. Und manchmal ist es hart.“ In dieser neuen Geschichte ist die kleine Tochter der Sängerin die unerwartete Heldin. Sie ignoriert die Geringschätzung der anderen Mädchen und setzt stattdessen ihren flinken Verstand ein, ganz wie eine unabhängige Filmregisseurin. „Für mich steht das kleine Mädchen für die Zukunft“, verrät Al-Mansour, „und die Zukunft gehört den Nonkonformisten.“
Bisher wurden folgende Women's Tales veröffentlicht: „Hello Apartment“ von Dakota Fanning, „(The [End) of History Illusion]“ von Celia Rowlson-Hall, „Carmen“ von Chloë Sevigny, „That One Day“ von Crystal Moselle, „Seed“ von Naomi Kawase, „Les 3 Boutons“ von Agnès Varda, „De Djess“ von Alice Rohrwacher, „Somebody“ von Miranda July, „Spark and Light“ von So Yong Kim, „Le Donne della Vucciria“ von Hiam Abbass, „The Door“ von Ava DuVernay, „It’s Getting Late“ von Massy Tadjedin, „The Woman Dress“ von Giada Colagrande, „Muta“ von Lucrecia Martel und „The Powder Room“ von Zoe Cassavetes.
Fotos von Brigitte Lacombe